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Laurent Bovey

Meine Schülerinnen und Schüler sprechen mit mir lieber über dieses gemeinsame Erlebnis als über den Pythagoras.

Laurent Bovey, Schule Crissier

Eine einzelne Pflanze, welches die Hülle eines Baugerüsts an einem Gebäude durchstoss, gab uns die Idee zum Projekt « Urbane Revolution ».  Aus diesem vielen Grau stach eine gelbe Blüte hervor, als ob diese versuchen würde, diesem lebensverachtenden Universum zu entfliehen. Im Unterricht stellten wir uns dann die Frage, warum die vielen Pflanzen, die beim Bauen sozusagen im Beton ertränkt werden, nicht revoltieren und wie wir sie dabei unterstützen könnten.

Während sechs spannenden Monaten lernten wir Wildpflanzen kennen, die auf dem Pausenhof und im übrigen Schulareal wachsen, und gaben ihnen eine Plattform. Schliesslich entstanden ein Herbarium, ein fiktiver Film, verschiedene Poster und eine Projektdokumentation, welche alle die Handschrift unserer Klasse trugen. Ganz alleine schafften wir das allerdings nicht. In Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Rose-Mary Ramos durften wir auf die Unterstützung der Schulleitung und von acht Lehrerkolleg/-innen zählen. Diese Kooperation war im Rahmen unseres Schulprojektes gut machbar und entsprach dem Wunsch, es interdisziplinär und partizipativ durchführen zu wollen. So konnten wir auch im Französischunterricht, in den Naturwissenschaften, in der Handarbeit, Mathematik, Informatik, Musik und mit fotografischen und filmerischen Mitteln arbeiten.

Gemeinsame Erlebnisse hinterlassen Spuren

Die Schülerinnen und Schüler waren von A bis Z an allen Projektschritten beteiligt und stolz auf das erzielte Resultat. Sie lernten Sachen selber an die Hand zu nehmen und entwickelten einen kritischen Blick. Alle trugen zum Film, zu den Fotos, Zeichnungen und Texten bei. Nach dem Pflücken und Trocknen der identifizierten Pflanzenarten machten wird für das Herbarium eine fotografische Dokumentation und kreierten eigene Pflanzennamen, indem wir mit den griechischen und lateinischen Herkunftsnamen spielten. Selbst nach Abschluss des Projekts konnte ich im Schulhof Schüler/-innen beim Bestimmen von Arten beobachten, die ihnen bis anhin entgangen waren. Insgesamt ist das eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass diese Kinder in der Stadt aufgewachsen sind, in zubetonierten Quartieren leben und bis dahin noch nicht wahrgenommen hatten, dass im Schulareal überhaupt Pflanzen wuchsen. So bekam der abstrakte Begriff "Biodiversität" für sie plötzlich Sinn und konkrete Bedeutung.
Wenn ich diesen Schülerinnen und Schülern heute begegne, habe ich den Eindruck, dass sie dieses Experiment geprägt hat. Unter uns hat sich ein vertrautes Verhältnis eingestellt, auch zu meinen Lehrerkolleg/-innen. Die Schüler/-innen sprechen mit mir lieber über dieses gemeinsame Erlebnis als über den Pythagoras oder über die französische oder amerikanische Revolution im Fachunterricht. Bereits haben sie insistiert, dass ich den im Rahmen des Projektes entstandene Film auch anderen Schüler/innen zeige. Die Eltern ihrerseits schätzten das Engagement ihrer Kinder und dass sie diese im Film in einer anderen Rolle wahrnehmen konnten als bei sich zu Hause.

Geteilte Kompetenzen und Erfahrungen

Meine Erfahrung zeigt, dass Lehrpersonen von solchen interdisziplinären Projekten profitiern können. Manchmal muss man gewillte Kolleg/-innen zwar zuerst suchen gehen, mit ihnen diskutieren und sie überzeugen. Normalerweise sehen sie ihre Schüler/-innen nur ein paar wenige Stunden pro Woche im Fachunterricht, im Rahmen eines Schulprojektes können sie sie hingegen auf eine ganz andere Weise kennenlernen. Für die Schulleitung ist es wichtig, einen ausgereiften Projektbeschrieb vorgestellt zu bekommen, das bereit zur Umsetzung ist. Die Rolle aller beteiligten Personen sowie der Finanzbedarf muss genau geklärt sein, die Zeiten für den Ersatz und die Entlastung von Lehrpersonen gut geplant werden. Bei den Dreharbeiten zum Film, welche jeweils am Morgen stattfanden, hatten einzelne Lehrpersonen zum Beispiel frei und andere standen sozusagen ohne Klasse da.

Es empfiehlt sich, ein solches Projekt gemeinsam mit einer Lehrerkollegin oder einem -kollegen zu realisieren. Zu Zweit kann man sich die Arbeit besser aufteilen, einen Ausgleich schaffen zwischen dem was der Eine resp. die Andere tut und sich gegenseitig unterstützen. Es ist zudem einfacher die verschiedenen Teile des Projekts vorzubereiten, wenn man den Rahmen für die verschiedenen Mitwirkenden klar absteckt.

(Anmerkung der Redaktion: Dieser Text basiert auf einem Interview und mehrerer Elemente der Projektdokumentation.)

Projektname und -dauer

Urbane Revolution
Pflanzen entdecken auf dem Schulareal

Sechs Monate, zwei Stunden pro Woche plus drei Vormittage
Von Oktober 2010 bis März 2011

Lernziele

Schülerinnen und Schüler...
… kennen die Pflanzen auf dem Schulareal.
… stellen das Eliminieren von Planzen in urbanen Gebieten in Frage.
… können ein Projekt planen und partizipativ umsetzen.
… erwerben künstlerische Kompetenzen beim Umgang mit Medien (Fotografie, Film).

Lehrplanbezug (PER)

Naturwissenschaften | Biologie (sciences de la nature | biologie): MSN 38.6
Künste (arts): A 31-34
Medien (médias): FG 31
Gruppenprojekte (projets collectifs): FG 34.1, FG 34.3
Umwelt (environnement): FG 36.1-5

Rahmen und erzielte Resultate

Das Projekt wurde ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbs "Umwelt und Jugend" ("Environnement + Jeunesse") und wurde aufgenommen in die Sammlung guter Schulprojekte von éducation21.

Herbarium der gefundenen Pflanzen
Film* « Révolution Urbaine »
Poster von vergrösserten Fotos
Projektdokumentation* und Ausstellung

*Auf www.umweltbildung.ch einsehbare Dokumente

Finanzierung

Finanzhilfen für Schulprojekte im Bereich Umweltbildung

Kontakt

Christoph Frommherz
Kommunikation
tel +41 31 321 00 25
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