Mehr BNE in den Klassenzimmern.
Wie BNE in den letzten zehn Jahren in Schule und Unterricht verankert wurde.
Autorin: Dr. Isabelle Bosset. Dieser Artikel ist im französischen Original zuerst erschienen in der «Educateur»-Sonderausgabe 7/2025.
Vor zehn Jahren wurde Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) erstmals in die Schweizer Lehrpläne aufgenommen. Seither hat sie sich kontinuierlich weiterentwickelt: Sie umfasst neue Ansätze und praxisbezogene Ressourcen, um den Bedürfnissen von Lehrerinnen und Lehrern gerecht zu werden. Nach einem Jahrzehnt der Implementierung stellt sich die Frage: Welche Fortschritte wurden erzielt? Und welche ermutigenden Signale zeigen sich, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrem BNE-Unterricht bestärken und inspirieren?
Ein Blick in die Zeitungen zeigt: Wir kämpfen mit grossen globalen Herausforderungen, anspruchsvolle Entwicklungen erfassen zunehmend alle Lebensbereiche. Auf ökologischer Ebene sind eine Million Arten vom Aussterben bedroht (IPBES, 2019). Dass der Mensch für diese Auswirkung des Klimawandels die Verantwortung trägt, ist mittlerweile unbestritten (IPCC, 2023). Weiter zeigt sich, dass die ökologischen und sozialen Aspekte des Klimawandels untrennbar miteinander verbunden sind: Während die globale wirtschaftliche Ungleichheit zunimmt (Piketty et al., 2022), sind die ärmsten Bevölkerungsgruppen gleichzeitig diejenigen, die von Klimakatastrophen am stärksten betroffen und dabei am vulnerabelsten sind. Diese anhaltenden globalen Herausforderungen haben Staaten dazu veranlasst, Massnahmen zu entwickeln. Den Bildungsbereich haben sie dabei eingeschlossen.
Erste BNE-Spuren in Bildungssystem und Lehrplänen: 2005 bis 2021
Im Zuge der BNE-Dekade (2005-2014) der Vereinten Nationen wurde BNE in die Schweizer Lehrpläne aufgenommen. Die Agenda2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) hat ab 2015 die Rolle der BNE in Form des Ziels 4.7 gefestigt. Darin wird gefordert, dass «alle Schülerinnen und Schüler bis 2030 die Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung erforderlich sind». In jüngerer Zeit hat die Berliner Erklärung der UNESCO (2021) die Bedeutung von BNE für eine nachhaltigere Zukunft bekräftigt und dabei das kollektive Engagement und die Fähigkeit, zu handeln, hervorgehoben.
BNE wird vertieft und verankert: ab 2022
In den 2020er Jahren wurde BNE in der Schweiz durch drei wesentliche Vertiefungen weiterentwickelt: Der neue Lehrplan für die Tessiner Volksschule (2022) verankert BNE fest im Lehrplan der italienischsprachigen Schweiz; der Bericht des Bundesrates zur BNE (2023) kommt zum Schluss, dass sich die aktuellen Strukturen und Praktiken zur Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung bewährt haben; und der aktualisierte Rahmenlehrplan für die Gymnasien (2024) betrachtet BNE als fächerübergreifendes Thema. Allerdings ist das Verständnis von Nachhaltigkeit nach wie vor uneinheitlich und die Diskussionen über Prioritäten prägen sowohl die politische als auch die zivilgesellschaftliche Debatte – bis in die Schule hinein.
BNE entwickelt sich
Seit ihrer Entstehung hat sich BNE stetig weiterentwickelt: Einerseits hat sie sich von der Umweltbildung emanzipiert, deren Ansatz angesichts der Debatten in der Öffentlichkeit als zu normativ empfunden wurde. Andererseits hat sie die verschiedenen Themen der «Education to», wie z. B. Gesundheit und Demokratie, integriert, um sich von einer reinen Fokussierung auf den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit zu lösen. Dabei hat sie die Potenziale aller Disziplinen einbezogen, die notwendig sind, um Nachhaltigkeitsprobleme zu verstehen und anzugehen. Heute konzentriert sich BNE auf die Förderung von erforderlichen Kompetenzen, um die Welt zu verstehen und in ihr handeln zu können. BNE bringt auch wichtige Innovationen für die Schule mit sich, insbesondere den «Whole School Approach». Nach diesem Ansatz strebt die Schule in all ihren Bereichen mehr Nachhaltigkeit an, sei es im Unterricht, in der Führung, in Kooperationen oder in der räumlichen Gestaltung. Auf pädagogischer Ebene berücksichtigt BNE verstärkt ethische Fragen: «Wie beurteilen wir, was wir für richtig oder falsch halten, und auf der Grundlage welcher Werte treffen wir Entscheidungen?» - und politische Fragen – «Wie wollen wir unser Zusammenleben im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gestalten?». éducation21 unterstützt diese Absichten mit didaktisierten, evaluierten und aktuellen Angeboten für Lehrpersonen und Schulen und beteiligt sich an der pädagogischen Weiterentwicklung von BNE.
Umsetzung von BNE: Von der Theorie zur Praxis
Die Lehrmittel und Ressourcen für Lehrpersonen haben sich in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt. Inhaltlich waren sie zunächst stark auf die theoretischen Aspekte der BNE ausgerichtet. Heute liegt der Fokus zunehmend auf der praktischen Umsetzung, mit einem Schwerpunkt auf handlungsorientierten Aktivitäten. Emotionale Aspekte und Themen der psychischen Gesundheit werden stärker einbezogen. Dies spiegelt einerseits die wachsende Sorge um die Klimaangst einiger Schülerinnen und Schüler wider, andererseits eine Offenheit gegenüber nicht-kognitiven Kompetenzen. Ein gutes Beispiel für eine solche Ressource ist das Angebot ResponsAbilita: Es verbindet auf geschickte Weise Gesundheitsprävention und Nachhaltigkeit und nimmt dabei die Perspektive von Jugendlichen der Sekundarstufe I in einer interdisziplinären Herangehensweise auf. éducation21 hat ausserdem einige Themen in Dossiers zusammengefasst und didaktisch aufbereitet- sie spiegeln gesellschaftliche Anliegen wie künstliche Intelligenz oder Gemeingüter wider und unterstützen Lehrpersonen darin, sie im Unterricht integrativ anzugehen (Themendossiers).
Kooperativ und mit positiver Zukunftsvorstellung
Auch bei weiteren Akteuren im Bereich BNE hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt. Vor zehn Jahren waren es vor allem NGOs, die im Bereich der «Education to» (heute Teil von BNE) tätig waren und ihre Angebote bereitstellten. Mit der Entwicklung von BNE wurde der Ansatz von externen Akteuren weniger sektoral. Sie verknüpfen verschiedene Themen miteinander, z. B. die Rechte von Kindern mit einer gesunden Umwelt oder Energie mit Ernährung. Ein weiteres neues Element ist die Zukunftsorientierung, d.h. die Entwicklung von Visionen einer wünschenswerten Zukunft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung – ein zentraler Punkt der BNE (siehe z. B. Junge Reporter/innen für die Umwelt). Zudem wurden die Qualitätskriterien von éducation21 gestärkt: Dazu gehören das Indoktrinationsverbot, die strukturierte und gezielte Integration der Angebote in den Unterricht sowie die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Schulen. Die evaluierten Angebote von externen Akteuren durch éducation21 finden Sie auf unserer Website.
Vielfältige BNE-Angebote und Praxisbeispiele für den Unterricht und die Schulentwicklung
In den letzten zehn Jahren haben die «BNE-Handwerkerinnen und -Handwerker», also Lehrpersonen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei éducation21 oder an Pädagogischen Hochschulen (PH) Ressourcen konzipiert und geschaffen, die den Reichtum von BNE widerspiegeln. BNE wird von verschiedenen pädagogischen Strömungen geprägt und umfasst auch eigene Dimensionen - z. B. die Zukunftsorientierung und die Integration der fünf Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung -, die in konkrete Produkte umgesetzt werden. Innovative BNE-Projekte an den Pädagogischen Hochschulen unterstützt von éducation21, haben beispielsweise Produkte hervorgebracht wie ein Bilderbuch, das Landschaften unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls erforscht (Ich entdecke Landschaften) , Video-Clips mit Unterrichtssequenzen, die das Klassenklima neu denken (Un climat de classe positif et équitable par l'enseignement des compétences EDD en 7P et en 8P - YouTube), oder auch Leitfäden für die Berufsbildung, die zeigen, wie die Handlungskompetenzen zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Lehrpersonen und ihre Schülerinnen und Schüler tragen zu dieser Dynamik bei, indem sie BNE-Angebote schaffen, z. B. einen Waldlehrpfad (Eine Klasse legt einen Waldlehrpfad an) oder «stressfreie» Räume für Schülerinnen und Schüler (Der «No Stress Room», eine Oase für alle).
Ermutigende Signale für BNE
Nach diesem Blick zurück auf zehn Jahre BNE-Entwicklung richtet sich der Fokus nun nach vorn – mit einem Ausblick, wie ihn Fachpersonen von éducation21 skizzieren:
- Das Verständnis von BNE wird gefestigt und resultiert in ausgereiften und konkreten Angeboten für Lehrerinnen und Lehrer.
- BNE-Themen werden in den Medien zunehmend sichtbar, was die Relevanz, die ihnen in den Lehrplänen beigemessen wird, erhöht.
- Der «Whole-School-Ansatz» schafft Kohärenz zwischen Worten und Taten und befähigt die gesamte Schule dazu, sich sinnvollen Herausforderungen gemeinsam zu stellen.
- Die Pädagogischen Hochschulen nehmen BNE aktiv in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften auf, um sie in der Umsetzung von BNE zu stärken.
- BNE wird in der politischen Sphäre durch den einstimmigen Fokus auf Kompetenzen besser akzeptiert.
- Die nächste Generation für BNE organisiert sich in den Kantonen mit eigenen Strukturen und bedarfsgerechten Initiativen.