«Schnur auf Reisen»: Einblick in eine Unterrichtsmethode
03.12.2025
Wie lassen sich Migration, ihre vielfältigen Ursachen und deren Auswirkungen verständlich im Unterricht vermitteln? Die Methode «Vernetzt» setzt auf eine Kombination aus Rollenspiel, systemischem Denken und gemeinsamer Analyse. Mit dem Rollenspiel «Eine Schnur auf Reisen» für den Zyklus 3 werden die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Migrationssituationen sichtbar gemacht. Ein Einblick.
Ziel der Methode ist es, sich zum Start dem Thema anzunähern, also im konkreten Fall hier zu verstehen, was mit «Migration» gemeint ist. Der Begriff der Migration wird zu Beginn der Unterrichtseinheit gemeinsam erarbeitet. Durch einfache Ja/Nein-Fragen – etwa, ob die Schülerinnen und Schüler jemanden kennen, der umgezogen ist oder das Land gewechselt hat – wird aufgezeigt, dass Migration viele Formen annehmen kann und auch im Alltag der Lernenden vorkommt.
Anschliessend erhalten die Schülerinnen und Schüler Identitätskarten, die verschiedene Lebenssituationen im Kontext von Migration darstellen. Diese reichen von Personen, die wegen Ausbildung, Arbeit, Familie oder Konflikten den Wohnort wechseln, bis hin zu Identitäten, die von wirtschaftlichen oder klimatischen Faktoren betroffen sind. Die Lernenden machen sich mit ihrer Rolle vertraut, beantworten vorbereitete Fragen und recherchieren bei Bedarf zusätzliche Informationen. In Kleingruppen stellen sie anschliessend ihre Identitäten vor und diskutieren, welche Faktoren Migration beeinflussen können.
Ein Netz entsteht
Im zweiten Teil wird das Rollenspiel durchgeführt. Dafür markiert die Lehrperson drei Kreise auf dem Boden:
- innerer Kreis: Identitäten, die derzeit in der Schweiz leben
- äusserer Kreis: Identitäten im Ausland
- mittlerer Kreis: nicht eindeutig zuordenbar
Nachdem sich alle positioniert haben, beginnt die Arbeit mit dem Schnurknäuel. Eine Identität stellt sich vor und fragt die Klasse, welche anderen Identitäten eine Verbindung zu ihr sehen und weshalb.
«Ich bin Andreas und komme aus den Niederlanden. Weil ich das Skifahren liebe und die Berge für mich eine höhere Lebensqualität bedeuten, würde ich gerne in ein Land mit schönen Skigebieten ziehen. Deshalb möchte ich in der Schweiz leben. Ich habe mich bei der Organisation Pro Grosis, die älteren Frauen zu Hause pflegt als Pflegefachmann beworben. Ich warte noch auf eine Entscheidung vom Amt für die Aufenthaltsbewilligung. Weil es im Moment nicht genügend Fachpersonen im Gesundheitswesen (Fachkräftemangel) gibt, sind Pflegerinnen und Pfleger sehr gesucht.»
«Ich bin der Auslandsaufenthalt. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum sich Menschen für mich entscheiden. Manche machen einen Sprachaufenthalt, um eine neue Sprache zu lernen. Andere gehen für eine Weile ins Ausland, um an einem Austauschprogramm teilzunehmen oder ein Semester lang an einer anderen Universität zu studieren. Manche machen auch ein Praktikum in einem anderen Land oder finden dort einen Job. Sie bleiben also nur für begrenzte Zeit im Ausland. Wenn jemand einen längeren Auslandsaufenthalt machen will, braucht er oder sie Geld und auch eine spezielle Aufenthaltsbewilligung. Solche Möglichkeiten haben nicht alle Personen. »
Wer eine Verbindung zu sich sieht und begründen kann, erhält das Schnurknäuel und macht weiter. So entsteht nach und nach ein Netz, das Migration als Zusammenspiel verschiedener Faktoren sichtbar macht – etwa Lebensbedingungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Klimaveränderungen oder soziale Bindungen. Je nach Vorgehen wird entweder zunächst eine Identität vollständig vernetzt oder das Netz entwickelt sich fortlaufend über mehrere Identitäten hinweg.
Wie wir miteinander verbunden sind
Im Anschluss reflektieren die Schülerinnen und Schüler zunächst aus der Innensicht: Wie fühle ich mich in meiner Rolle? Welche Herausforderungen oder Ressourcen hat meine Identität? Danach wird das Netz auf dem Boden abgelegt, sodass eine Aussen- bzw. Gesamtsicht möglich wird. In der anschliessenden Diskussion geht es um die Frage, welche Muster sichtbar werden und welche Rolle Migration in den verschiedenen Lebenssituationen spielt.
Verbindungen weiterdenken
In einer weiteren Lektion übertragen die Schülerinnen und Schüler das Netzwerk auf ein Plakat. Sie ordnen Identitäten erneut den Kreisen zu und zeichnen die erarbeiteten Verbindungen ein. Durch den Vergleich der Gruppenplakate entstehen zusätzliche Verbindungen und Gesprächsanlässe, die genutzt werden, um einzelne Aspekte zu vertiefen. Die Methode macht deutlich, dass Migration ein komplexes, vielschichtiges Phänomen ist und zahlreiche Lebenslagen miteinander verknüpft. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich dabei sowohl fachlich als auch sozial mit dem Thema auseinander und lernen, unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen. Am Ende wird deutlich, wie eng einzelne Lebensgeschichten, gesellschaftliche Entwicklungen und globale Zusammenhänge miteinander verbunden sind.