Gehen und Lernen: Ein Paradigmenwechsel

Interview Martino Guzzardo (VO fr, untertitelt de/it, 3'19") - Kurzversion

Bereits Aristoteles wandelte umher, während er an seiner Philosophenschule, dem Peripatos (altgr. peripatetikos „Akt des Gehens“) lehrte, und Nietzsche behauptete: «Alle wahrhaft grossen Gedanken kommen einem beim Gehen». In dieser Perspektive entstand das Projekt «Le vostre idee vanno in passeggiata» von Martino Guzzardo, bei dem die Lernenden beim Spazierengehen in der Natur reflexive und kreative Aufgaben ausführen.

In der Schule findet der Unterricht vorwiegend sitzend im Klassenzimmer statt. Das von Ihnen vorgeschlagene Projekt holt Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler aus der Schule heraus. Warum?
Heutzutage (er)leben wir die paradoxe Situation, dass wir regelmässig im Sitzen über die Problematiken unserer sitzenden Lebensweise reden, und das sogar bei Fortbildungen in der Sportwissenschaft. Daher hielt ich es für notwendig, Alternativen zu finden und eine Idee vorzuschlagen, die es uns ermöglicht, die Bewegung zu fördern und gleichzeitig Neues zu lernen: Gehen und Studieren. Dieser Vorschlag, der keineswegs neu ist, fügt sich nahtlos in die Förderkampagne «Die Bewegte Schule» des BASPO ein.

Welche Rolle kann oder muss die Schule im Hinblick auf das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen einnehmen?
Die Gesundheit stellt keinen Selbstzweck dar, sondern ist eine unverzichtbare Ressource, um Wohlbefinden sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, zu erreichen. In diesem Sinn sollte die Schule Mittel bereitstellen, um die Gesundheit aufzuwerten, damit wir über die eigenen Bedürfnisse nachdenken und dafür Sorge tragen, dass sich alle wohl fühlen. Hierzu können beispielsweise auf Klassen- oder Schulebene Projekte zu Themen wie Zusammenleben, Gesundheitsförderung, Gemeinschaft oder Solidarität ins Leben gerufen werden. So wird die Schule zu einem Versuchslabor, in dem man für das ganze Leben lernt.

«Daher hielt ich es für notwendig, eine Idee vorzuschlagen, die es uns ermöglicht, die Bewegung zu fördern und gleichzeitig Neues zu lernen: Gehen und Studieren.»

 
Wie wirkt sich Bewegung während des Unterrichts auf die Gesundheit aus?
Bewegung ist ein Grundbedürfnis. Gerade in dieser von der Pandemie gekennzeichneten Zeit wird uns das bewusst. Ich kann wohl getrost behaupten, dass auch wir Erwachsenen uns besser fühlen, wenn wir beim Nachdenken draussen spazieren gehen, anstatt drinnen im Sessel sitzen. Bewegung ist Gesundheit. Ausserdem belegen zahlreiche Studien, dass in Verbindung mit Bewegung die Lern- und Merkfähigkeit verbessert und die Kreativität gesteigert wird.

Gemeinsam mit dem Schulnetz21 haben Sie das Projekt «Le vostre idee vanno in passeggiata» entwickelt. Welchen Mehrwert bringt dies gegenüber dem Unterricht im Klassenzimmer?
Der Mehrwert besteht in der Zusammenarbeit. Gemeinsam können bessere Lösungen oder Projektideen für die Klasse, die Schule, die Einrichtungen in der Umgebung, die Vereine im Quartier oder die ortsansässigen Betriebe gefunden werden. So ist es möglich, ein Netzwerk rund um die Schule aufzubauen. Dies ist einfacher zu verwirklichen, wenn man aus dem Klassenzimmer herausgeht.

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