Kreislaufwirtschaft und BNE

Bild; Schematische Abbildung der Kreislaufwirtschaft © BAFU; Text: Isabelle Bosset

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Wie lässt sich die Kreislaufwirtschaft in der BNE behandeln? Drei Ansätze

Die Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Dieses aktuelle Thema fasziniert durch seine scheinbare Einfachheit. Aber worum geht es wirklich? Und wie lässt sich dieses Konzept so in den Unterricht integrieren, dass einerseits seine Stärken deutlich werden und andererseits die für die BNE unverzichtbare kritische Haltung gewahrt wird? Dieser Artikel bietet einen kurzen Überblick über die Kreislaufwirtschaft und stellt drei praktische Ansätze zu ihrer Behandlung im Unterricht vor.

Kreislaufwirtschaft: Was genau ist das?

«Das Besondere am Konzept der Kreislaufwirtschaft ist, dass jeder es spontan versteht, aber alle Mühe haben, es genau zu definieren» (Grosse, 2015, in Bourg & Papaux, 2015). Intuitiv ver- gleichen wir sie mit den uns vertrauten Kreisläufen: dem Kreislauf des Mondes, der Jahreszeiten, des Wassers und allgemein des Lebens. Der Kreislauf, der im Larousse als ununterbrochene Folge von Phänomenen definiert wird, die sich in einer unveränderlichen Ordnung erneuern, steht im Zentrum der Gleichgewichte der Ökosysteme und der Funktionsweise des Lebens.

Aber was hat es mit der Kombination der Begriffe Kreislauf und Wirtschaft auf sich? Gemäss Grosse (2015) sucht man vergeblich nach einer einheitlichen Definition von Kreislaufwirtschaft (KLW), die verschiedene Denkströmungen verbindet. Für eine Annäherung an diesen Begriff ist es hilfreich, die KLW mit der klassischen «linearen» Wirtschaft zu vergleichen, die auf dem Modell «take – make – waste» basiert. Sie geht davon aus, dass die Ressourcen des Planeten unbegrenzt sind und die Regenerationsfähigkeit der Erde unendlich ist.


Lineare Wirtschaft © Research Gate

Die Ressourcen der Erde sind aber nicht unbegrenzt: Bereits 2009 stellten Rockström et al. das Konzept der planetaren Grenzen vor. Heute sind vier davon überschritten, wodurch unsere Existenz bedroht ist (Steffen et al. 2015). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der komplexen Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Wohlstand und Ökologie schlägt die KLW eine alternative Sichtweise vor. Alle Materialien und Produkte werden soweit wie möglich im Kreis behalten und erst in letzter Instanz recycelt. So werden weniger Ressourcen verbraucht und weniger Abfälle erzeugt.

Die KLW versteht sich als anpassungsfähig an ihren Kontext und ihre Zeit; dynamisch und ständig auf der Suche nach innovativen Lösungen; global mit dem Ziel, das Wohlergehen der ganzen Menschheit zu fördern; biomimetisch und inspiriert von natürlichen Systemen, die auf der Zirkularität basieren und regenerativ statt destruktiv sind. Sie regt dazu an, unser Konsumverhalten (Besitz und Anhäufung von materiellen Gütern) zu überdenken und nach mehr Genügsamkeit zu streben. Ihr Leitgedanke beruht auf dem Wandel unserer Gesellschaft und ihres Industriesystems. Die KLW scheint daher gut in den Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung und damit in die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zu passen.

Wie kann die KLW in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung behandelt werden?

Wir schlagen drei typische BNE-Ansätze vor: 1. pluralistische Pädagogik 2. fächerübergreifenden Unterricht und 3. draussen lernen.

1. Die pluralistische Pädagogik (Öhman und Östman, 2019) empfiehlt das Aufzeigen verschiedener Standpunkte zu einem Thema, damit die Schülerinnen und Schüler kritisches Denken entwickeln und argumentieren lernen (S. 75).

Anhand verschiedener Modelle der nachhaltigen Entwicklung (starke und schwache Nachhaltigkeit): Die Jugendlichen entdecken, dass die Wirtschaft je nach Blickwinkel eine besondere Rolle spielt, diskutieren über Interessen, Werte und Machtfragen, die diesen Blickwinkeln zugrunde liegen, sowie die beteiligten Akteurinnen und Akteure.

Ausgehend vom Fach «Wirtschaft»: Dieses Fach wird nach wie vor weitgehend auf der Grundlage neoklassischer Theorien unterrich- tet. Durch das Kennenlernen alternativer Wirtschaftsansätze wie KLW werden die Jugendlichen dazu angeregt, die normierten Diskurse über Wirtschaft zu relativieren.

2. Der fächerübergreifende Unterricht steht für eine Vernetzung von mindestens zwei Fächern in Bezug auf einen bestimmten Kontext und ein bestimmtes Projekt zur Beantwortung einer konkreten Frage (Moody, 2021). Er fördert das vernetzende Denken, die Integration von Wissen und das Engagement der Jugendlichen.

Die Lehrperson kann die KLW anhand:

  • einer aktuellen gesellschaftlichen Frage (z. B. «Wie lässt sich der übermässige Konsum bekämpfen?»),
  • eines Themas (z. B. Lebenszyklus eines Produkts, Sharing) oder
  • eines Projekts (z. B. Energiemanagement in der Schule)

behandeln.

Die Jugendlichen können auf verschiedene Fächer zurückgreifen, um Antworten zu einzelnen Aspekten zu finden, die dann verbunden werden müssen, um Lösungen, Modelle oder konkrete Massnahmen vorzuschlagen (Gremaud und Roy, 2017). Beispiele dafür sind Mathematik (Berechnung des ökologischen Fussabdrucks), Philosophie (Arten von Konsum), Geschichte (Kontext der Entstehung der KLW) oder auch Deutsch (Etymologie und Begriffe der KLW).

3. Draussen lernen bietet sich an, um die Klasse aus dem Schulzimmer zu holen. Man kann in und durch die Natur lernen. Die nahe Umgebung nutzen ermöglicht zudem ein konkretes und aktives Lernen. Draussen lernen fördert das Selbstvertrauen und das Gefühl der Selbstwirksamkeit und trägt zum Erhalt der Motivation bei (Jucker und von Au, 2019).

Die Jugendlichen machen Firmen in ihrer Gemeinde ausfindig, die KLW praktizieren, und besuchen diese, um mehr über die konkrete Funktionsweise der KLW zu erfahren.

Die Ergebnisse können dann im Unterricht in der Klasse aufgegriffen werden, um:

  • Empfehlungen zu formulieren,
  • eine KLW an der Schule zu entwickeln,
  • dieses empirische Wissen mit Theorien über die KLW

zu konfrontieren.

Über die Versprechen der KLW hinaus: Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung ihres kritischen Denkens unterstützen

Die KLW ist attraktiv und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Abschliessend möchten wir aber an zwei wichtige Punkte für die BNE erinnern. Zum einen verlangt die KLW, dass wir unsere Bezie- hungen zur Natur (Berücksichtigung begrenzter Ressourcen), zu anderen Menschen (Zusammenarbeit und Solidarität), zur Zeit (langfristige Vision) und zu uns selbst (Grundbedürfnisse) grundlegend überdenken. Zum andern und unabhängig vom behandelten Thema liegt das Ziel der BNE darin, jungen Menschen zu helfen, ein kritisches, fundiertes und aufgeklärtes Denken zu entwickeln, und nicht darin, sie vom einen oder anderen Ansatz zu überzeugen oder davon abzubringen. Sie ist also keine Patentlösung und kommt nicht ohne philosophische Überlegungen rund um diese Beziehungen aus. Dieser letzte Punkt ist befreiend für Lehrpersonen: Ihre Aufgabe besteht nicht darin, Position zu beziehen, sondern Kompetenzen zu vermitteln.

Literatur

Gremaud, B., und Roy, P. (2017). La matrice interdisciplinaire d'une question scientifique socialement vive comme outil d'analyse a priori dans le processus de problématisation. Formation et pratiques d'enseignement en questions, 22,125–141.

Grosse, F. (2015). Economie circulaire. In D. Bourg und A. Papaux (Hrsg.), Dictionnaire de la pensée écologique (349–352). Paris: PUF.

Steffen, W., Richardson, K., Rockström, J., et al. (2015). Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science, 347 (6223).

Rockström, J., Steffen, W., Noone, K., Persson, A., Chapin, F.S., et al. (2009). A safe operating space for humanity. Nature, 461, 472–475.

Öhman, J., und Östman, L. (2019). Different teaching traditions in environmental and sustainability education. In K. Van Poeck, L. Östman und J. Öhman (Hrsg.),Sustainable Development Teaching (70–82). Oxon: Routledge.

Moody,Z.(April2021). Enjeux de la durabilité et implications pour l'école.

PPT-Präsentation zur vierten Weiterbildungssitzung an der HEP Vaud, Lausanne. Jucker, R., und von Au, J. (2019). Improving Learning Inside by Enhancing Learning Outside: A Powerful Lever for Facilitating the Implementation of the UN SDGs.

Sustainability: The Journal of Record, 12 (2), 104–108.

 

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