Konsum / Mode

Wie aufwändig es ist, ein Kleidungsstück oder einen Schuh herzustellen, wie viel Arbeit und wie viele Ressourcen dabei benötigt werden, ist heute bei den meisten Konsumierenden nicht mehr im Bewusstsein. Eine Hose zum Beispiel besteht aus etwa 30 Einzelteilen, ein BH sogar aus bis zu 60. An einem T-Shirt können bei der Herstellung mehr als 50 Personen beteiligt sein, bis es – nach bis zu 12'000 km Transportweg – in unserem Kleiderschrank landet.

Kleider- und Schuhe werden in einer komplexen Wertschöpfungskette hergestellt, die vereinfacht gesagt aus Rohstoffgewinnung, Herstellung, Vertrieb, Verbrauch/Gebrauch und Entsorgung besteht. Noch im vorletzten Jahrhundert fanden die Produktionsschritte räumlich nahe beieinander statt. Die Schweiz hatte einst eine sehr starke Schuh- und Textilindustrie, man kaufte Kleider made in Switzerland. Mittlerweile ist die Welt eine einzige grosse Fabrik. Die Bekleidungs-/Textil- und Schuhindustrie ist Sinnbild geworden für globale Arbeitsteilung, für die Globalisierung schlechthin. Als Konsument/-innen sind wir mittendrin. Die Auswirkungen unserer Konsumentscheide liegen bei Schuhen und Kleidern fast ausschliesslich im Ausland: Dass wir Kleider zu Billigstpreisen kaufen können, ist nur deshalb möglich, weil die Arbeitsbedingungen in der ausländischen Produktion, Verarbeitung, aber auch im Transport oft sehr schlecht sind. Und der Schweizer Kleider- und Schuhkonsum hinterlässt einen ökologischen Fussabdruck, der ein Vielfaches über dem umweltverträglichen Niveau liegt.

Faktenblatt

Der Trend geht – sowohl auf Konsument/-innen als auch Unternehmer- und Produktionsseite – in Richtung fairere und ökologischere Bekleidung. Davon zeugen z.B. Kleidertauschpartys, der Secondhand-Trend oder die steigende Nachfrage nach Kleidern mit entsprechenden Labels. Schweizer Jugendliche haben ein hohes Bewusstsein für fair und ökologisch produzierte Kleider. Konsequent nachhaltig kauft hingegen nur eine kleine Minderheit ein. Kleider zu kaufen hat viel mit Wünschen und Identifikation und auch Status zu tun. Diese werden durch unser Umfeld, durch die Werbung mitbeeinflusst. Welche Jacke brauche ich? Welche Marke möchte ich? Warum? Wo liegt der Unterschied zwischen Notwendigkeit, Bedürfnis und Wunsch? Wieviel ist ein schönes T-Shirt wert? Für wen? Beim Thema Mode und Nachhaltigkeit geht es letztlich immer um Werte – aus unterschiedlichen Perspektiven.

Im Hinblick auf den Unterricht liegt gerade hier ein grosses Potenzial: Ein guter und naheliegender Aufhänger ist, dass man ausgehend von einem eigenen Kleidungsstück die verschiedenen Schritte der Produktions- bzw. Wertschöpfungskette – einschliesslich Entsorgung oder Recycling rekonstruiert. Ebenso lohnt sich eine Auseinandersetzung mit materiellen und immateriellen Werten. Dabei gilt es zu bedenken, dass Kinder nur zu einem Teil oder gar nicht beim Kauf von Kleidern (mit)bestimmen können. Doch auch im 1. Zyklus ist es möglich, sich zu überlegen, welche Stationen der eigene Pulli hinter sich hat. Und eine Diskussion darüber, wie wichtig es ist, dieselbe Jacke wie der Kollege zu haben, oder wie die Traumschuhe aussehen würden, kann auch mit jüngeren Kindern sehr fruchtbar sein. Ältere Lernende übernehmen bereits mehr Verantwortung im Urteilen und Handeln.

Das Thema Mode tangiert sämtliche Nachhaltigkeitsdimensionen und eignet sich, Zusammenhänge aufzuzeigen: Die Nachfrage nach Kleidern und Schuhen generiert Arbeitsplätze, ist wichtiger Treiber auf dem Weltmarkt, hat aber auch sehr problematische ökologische, soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Effekte. Die Bekleidungsindustrie hat zudem eine starke räumliche (lokal-global) und zeitliche (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft) Komponente. Ausgehend davon können diverse BNE-Kompetenzen vertieft werden: Perspektivenwechsel (Perspektive der verschiedenen in der Produktions- und Konsumentenkette involvierten Akteur/-innen; ökologische, wirtschaftliche, soziale Interessen), vernetztes Denken, sich als Teil der Welt erfahren, eigene und fremde Werte reflektieren sowie Verantwortung übernehmen und Handlungsspielräume (im Privaten und Beruflichen) nutzen.

 
Die Darstellung zeigt ausgewählte Stichworte zum Thema und eine mögliche Verortung im Drei-Dimensionen-Schema der Nachhaltigen Entwicklung (vgl. Lehrplan 21). Die Stichworte sind nicht abschliessend, sondern können ergänzt werden. Ihre Verortung in den drei Dimensionen und ihren Schnittbereichen ist als Denkanstoss zu verstehen.

Das Thema Konsum – und weiter gefasst die Themen Handel, Produktionskette, Wertschöpfungskette, Kaufen, Markt, Arbeit, Menschenrechte, Nutzung natürlicher Ressourcen, Nachhaltige Entwicklung und globale Zusammenhänge – ist in allen Lehrplänen an verschiedenen Stellen verankert. Einen fixen Platz haben konsumrelevante Themen im 2. und 3. Zyklus im NMG, im 3. Zyklus prominent im WAH und RZG. An welchem Gegenstand (z.B. Kleider/Schuhe, Handys, Schokolade, etc.) man die Themen im Unterricht angeht, wird im Lehrplan 21 nicht vorgegeben. Auf der Sekundarstufe II geht im ABU-Rahmenlehrplan der Lernbereich «Gesellschaft» u.a. in den Aspekten «Ethik», «Wirtschaft», «Recht» und «Ökologie» auf die oben genannten Themen ein. Und auch die Lernenden der FMS kommen mit dem Thema Konsum in Kontakt, wenn sie sich beispielsweise im Dritten Lernbereich: Geistes- und Sozialwissenschaften beim Fach Wirtschaft und Recht mit Wertschöpfung und Wirtschaftskreislauf auseinandersetzen. Grosses Potenzial hat das Thema natürlich in der beruflichen Grundbildung z.B. in den Ausbildungsfeldern «Mode, Innenarchitektur und industrielles Design», «Gross- und Einzelhandel», oder «Textilien (Kleidung, Schuhwerk und Leder)». Konsum am Beispiel von Bekleidung kann aber auch gut von Fächern wie bildnerisches, technisches oder textiles Gestalten, Geschichte, Philosophie, Sport (Sportbekleidung) oder Sprachfächern ausgehen. Es eignet sich zudem ideal für fächerübergreifende Projekte, Studienwochen, ganze Schulhausprojekte oder Aktionstage.

BNE-Fragestellung

Zur Unterstützung eines forschend-entdeckenden Lernens ist es sinnvoll, ein Thema durch eine übergeordnete Fragestellung zu ersetzen, z. B. «Durch wie viele Hände ging mein T-Shirt?» anstelle von «Kleidung». Eine solche BNE-Fragestellung dient bei der Planung und Durchführung des Unterrichts als roter Faden und wird am Schluss fundiert, wenn auch nicht zwingend abschliessend, beantwortet. Sie ist offen, anschlussfähig an die Lebenswelt der Schüler/-innen, komplex, macht neugierig, lässt keine eindeutige Ja-Nein-Antwort zu und hat das Potenzial für sachliche und normative Kontroversen. Sie ist zudem gesamtgesellschaftlich relevant und kann nur erschlossen werden, indem die Perspektive verschiedener Akteur/-innen einbezogen sowie ökologische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, räumliche und zeitliche Aspekte mitgedacht werden.

Weitere Beispiele von BNE-Fragestellungen zum Thema Mode/Konsum:

• Was ist ein guter Schuh?
• Wie teuer ist das billigste Kleid?
• Wieviel ist (mir) eine Jeans wert?
• Wo sind der Anfang und das Ende der Socke?

 
Wörterwolke

Die Kopiervorlage Wörterwolke (PDF) (inkl. Ideen für den Unterricht) eignet sich als Arbeitsinstrument für die Schüler/-innen ab 3. Zyklus

• für den Einstieg ins Thema: Vorwissen abholen, Nachhaltigkeitsbezüge diskutieren;
• für die Vertiefung und Weiterarbeit: Zusammenhänge sichtbar machen, Unterthemen definieren, Einzelaspekte vertiefen.

  
Für jüngere Schüler/-innen kann mit vereinfachten Begriffen oder mit Bildern gearbeitet werden.

Vorwissen abholen

• «Kleiderschrank-Check»: Erhebung machen (als Hausaufgabe): Wie viele Pullis (oder andere Kleidungsstücke) habe ich im Schrank? Wie viele Farben? Wie viele Länder? Welche Materialien? Wie viele Kleider habe ich länger als 2 Monate nicht mehr getragen? Etc.
• Etiketten studieren: Länder, Materialien sammeln. Ev. sich im Raum positionieren je nach Land, Material, Farbe, Waschtemperatur…
• Aus welchen Materialien kann man Kleider machen? Woraus bestehen eure Kleider? Z.B. Baumwolle, Seide, synthetische Stoffe wie Polyester, Faserpelz (synthetisch = Erdöl), Hanf, Leder, Wolle, Plastik, Metall, etc.
• Wer hat schon Kleider geflickt? Wer war schon beim Schuhmacher mit kaputten Schuhen? Wer hat jemanden in der Familie, der/die strickt oder näht?
• Positionenspiel (soziometrische Übung) oder Befragung mit Mentimeter (menti.com) mit Fragen rund ums Konsumverhalten bei Kleidern und Schuhen: «Mein letztes T-shirt habe ich vor X Wochen gekauft», «eine Jeans für mehr als 100 Fr. würde ich kaufen / nie kaufen». «Qualität bei Schuhen ist mir wichtig / mittel / unwichtig»… Als Inspiration für Fragen kann z.B. die juvenir-Studie 3.0 zum Thema Jugendliche und Konsum herangezogen werden.

   
Weitere Unterrichtsideen

• Besuch in einer (stillgelegten) Schuh- oder Textilfabrik oder Kleidersammel-Unternehmen
• Schuhe selber basteln, Kleider selber nähen und damit das Bewusstsein schärfen für die einzelnen Bestandteile, Produktionsschritte, Materialien und deren Herkunft, Funktionalität, Aufwand
• Ein Klassen- oder Schulprojekt rund ums Thema Entsorgung/Recycling: Kleider sammeln, Kleider/-Schuhtausch-Aktion, Upcycling-Projekte, Kleider-Flick-Aktion. Allenfalls zusammen mit der Gemeinde.
• Bei bestimmten Kleidermarken lässt sich der Produktionsweg rückverfolgen: Code bei http://www.respect-code.org eingeben und Informationen einholen.
• Sich den Alltag einer Baumwollbäuerin / eines Baumwollbauers oder einer / eines Angestellten in einer Textilfabrik vorstellen und aus deren/dessen Sicht einen Brief eine Konsumentin bzw. einen Konsumenten in der Schweiz schreiben.
• Mithilfe von Schnur oder Gummibändern die Beziehungen der verschiedenen Akteur/-innen des Lebenszyklus’ eines Kleidungsstücks (vom Schnittmuster bis zur Entsorgung) illustrieren.
• Mit Schnur/Gummibändern auf einer Weltkarte oder einem Globus die verschiedenen Stationen des Lebenszyklus eines Kleidungsstücks darstellen lassen.
• Sek II – Berufsbildung: Gründung eines fiktiven Textilunternehmens, Rollen verteilen, Bilanz ziehen zu den Unternehmens-Aktivitäten (wirtschaftlich, sozial, ökologisch).