Demokratie

Die heutige Welt ist gekennzeichnet durch laufende und anstehende Veränderungen, bei denen nicht sicher ist, was vom Gewohnten Bestand haben und was sich ändern wird. In dieser herausfordernden Situation ist es wichtig zu wissen, wer wo in welcher Form Einfluss auf das private und gesellschaftliche Geschehen hat oder haben sollte. Wem stehen welche Rechte und Pflichten zu? Welche Mechanismen sind auf der politischen Ebene zur Lösung der anstehenden Fragen vorgesehen? Und schliesslich: Wo kann ich als Einzelne/-r ansetzen und (m)einen Beitrag leisten?.

Damit stellt sich die Frage, wer regiert und wer darf mitbestimmen: Ist es die Monarchie, welche herrscht, das Militär, welches befiehlt oder wie bei uns das Volk, das bestimmt? Demokratie heisst Volksherrschaft und setzt im Gegensatz zu den beiden anderen erwähnten Herrschaftsformen auf die Beteiligung möglichst vieler. Es gibt allerdings nicht nur die Demokratie, sondern unterschiedlich ausgeprägte Formen mit mehr oder weniger Rechten der Bürger/-innen. In der Schweiz sind z.B. die demokratischen Rechte weit ausgebaut. Im Gegensatz zu anderen demokratischen Ländern dürfen wir nicht nur unsere Repräsentanten wählen, sondern auch über Veränderungen in der Verfassung befinden, Gesetze vorschlagen oder in Frage stellen und über sie abstimmen.

Demokratie ist zwar in unserem Land als Regierungsform unbestritten, sie stösst aber gelegentlich an ihre Grenzen: Wenn zum Beispiel die Abstimmungsvorlagen zu komplex sind, und nur eine Minderheit der Stimmberechtigten den Weg an die Urne findet. Regelmässig werden im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen oder dem Beitritt zu überstaatlichen Gremien auch Einschränkungen der demokratischen Rechte befürchtet und diskutiert. Wegen Migration leben immer mehr Menschen im Land, die kein Stimmrecht haben. Die Gesellschaft wird dadurch heterogener und es stellt sich die Frage, wie die vielfältigen Bedürfnisse und Rechte dieser Menschen politisch berücksichtigt werden können.

Bereits diese wenigen gesellschaftlichen Themen zeigen, wie wichtig es ist, sich in der Schule mit Demokratie auseinanderzusetzen. Dazu gehört, sich über das Wesen von Demokratie auszutauschen, Wissen über das politische System aufzubauen und ganz allgemein Möglichkeiten aufzuzeigen, um bei politischen Entscheidungen, die das Gemeinwohl betreffen, mitreden und mitentscheiden zu können. Ebenso lohnt es sich, aktuelle politische Fragen im Unterricht aufzugreifen, die mit Vorteil einen möglichst direkten Bezug zum Leben der Schüler/-innen oder Lernenden sowie zur nachhaltigen Entwicklung haben sollten. Als Betroffene lernen sie sich dabei eine eigene Meinung zu bilden, den eigenen Standpunkt zu erörtern und zu vertreten.

Faktenblatt

Die Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO gehören zu einem internationalen Auftrag, worin jedes Land einen individuellen Beitrag dazu leistet. Da unterschiedliche Traditionen und Kulturen, sowie politische Systeme hinter den jeweiligen Nationen stecken, ist eine globale und einheitliche Zielerreichung nur mit viel Zusammenarbeit umzusetzen. Um den Lernenden einen stärkeren Lebensweltbezug zu ermöglichen, empfiehlt sich hier die Reduktion auf die nationale und lokale Ebene. Dabei können zivilgesellschaftliche Handlungsmöglichkeiten erkannt, analysiert und weiterentwickelt werden: In Familien, im Jugendverein, mit den Peers.

Gemeinsam zu bearbeitende Lösungsfindungen benötigen auf der einen Seite die Aufarbeitung von (Fach-) Wissen für die Erörterung des zu erreichenden Zielzustands (Nachhaltigkeit) und auf der anderen Seite die dazugehörigen Kompetenzen und Rahmenbedingungen für eine gelingende Zusammenarbeit. Daraus resultiert, dass der Zugang zu «Demokratie» fachlich oder überfachlich erfolgen kann.

Fachlicher Zugang

Demokratisches Wissen: Der Erwerb von Wissen zu politischen Systemen beinhaltet die klassische Vorgehensweise im RZG-Unterricht wie beispielsweise das Visualisieren von historischen, bedeutsamen Schritte in Richtung demokratischer Staat, Idealvorstellungen von Demokratie und die Auseinandersetzung mit dem aktuellen politischen System der Schweiz. Angaben zu politischem und demokratischem Wissen sind im Faktenblatt zu finden.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung kommt dann zustande, wenn dieses oben beschriebene demokratische Fachwissen im Zusammenhang mit nachhaltigkeitsorientierten Fragestellungen verknüpft wird. Anhand einer spezifischen Fragestellung werden durch verschiedene, partizipative Methoden gemeinsam Lösungsvorschläge entwickelt und anschliessend darüber diskutiert wie diese in unserem politischen System umsetzbar sind. Dabei lassen sich Möglichkeiten und Grenzen eines demokratischen Systems erkennen.

Überfachlicher Zugang

Damit ein gemeinsamer Weg in Richtung Nachhaltigkeit erfolgt, braucht es eine gelingende Zusammenarbeit und somit viele wichtige überfachliche Kompetenzen im Bereich von Meinungsbildung, Empathie, Partizipation, Kommunikation usw. Durch Vermittlung von Hintergrundinformationen, die Nachstellung von politischen Prozessen wie problembasierte Diskussionen oder Dilemma-Diskussionen und schulische Gefässe wie Klassenrat und Schüler/-innen-Parlament können die oben genannten Kompetenzbereiche gefördert werden. Demokratie wird darin fassbar und erlebbar gemacht, woraus sich eine Gesprächsgrundlage bildet. Anders als beim fachlichen Zugang stehen hier nicht die fachlichen Inhalte, sondern die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich herausfordernden Problemen und Fragestellungen sowie die Erörterung des eigenen Standorts im Zentrum, um überfachliche Kompetenzen im Bereich von BNE zu fördern.

Zur Unterstützung des forschend-entdeckenden Lernens ist es sinnvoll, das Thema durch eine übergeordnete Fragestellung zu ersetzen, die auf ein gesellschaftlich relevantes Problem verweist, wie zum Beispiel: «Handeln wir in der Schweiz so demokratisch und nachhaltig wie wir denken?» Eine Frage, die nicht eindeutig beantwortet werden kann, die aber zu einer sachlichen und normativen Kontroverse führen soll. Der Schwerpunkt liegt also nicht auf der richtigen Antwort, die gegeben werden muss, sondern auf der diskursiven Suche nach möglichen Lösungen. Eine solche Fragestellung ist offen, anschlussfähig an die Lebenswelt der Schüler/-innen/Lernenden, sie ist komplex, macht neugierig, lässt keine eindeutige Ja-Nein-Antwort zu und hat das Potenzial für sachliche und normative Kontroversen. Eine solche BNE-Fragestellung dient bei der Planung und Durchführung des Unterrichts als roter Faden und wird am Schluss fundiert, wenn auch nicht zwingend abschliessend, beantwortet. Sie ist zudem gesamtgesellschaftlich relevant und kann nur erschlossen werden, indem die Perspektive verschiedener Akteur/-innen einbezogen sowie ökologische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, gesundheitliche, räumliche und zeitliche Aspekte mitgedacht werden.

Beispiele von BNE-Fragestellungen

• Wo möchte ich zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit ein Mitspracherecht haben und warum? Wie äussere ich mein Anliegen?
• Was könnte der Begriff «gleich lange Spiesse» im Zusammenhang mit der Demokratie bedeuten?
• Was haben politische Grundrechte, Partizipation und Demokratie miteinander zu tun? Welchen Beitrag leisten sie zur Lösung nachhaltigkeitsrelevanter Fragestellungen?
• Inwiefern stehen sich Gleichheit und Freiheit in der Demokratie gegenüber? Welchen Einfluss haben sie auf eine Nachhaltige Entwicklung?
• Was meinte Barak Obama mit: «Wahlen allein machen noch keine Demokratie»?
• Wie nachhaltig würde die Welt aussehen, wenn alle Länder ein demokratisches Rechtssystem haben würden?
• Wer ist bedeutender: Der UNO-Generalsekretär, der Bundesrat oder der Regierungsrat bei der Lösung von Problemen der Nachhaltigkeit?

Um Verknüpfungen zu weiteren Themen herzustellen, die mit Demokratei zu tun haben, kann mit der Kopiervorlage Wörterwolke (inkl. Ideen für den Unterricht) gearbeitet werden. Die Begriffe müssen allerdings auf die jeweilige Schulstufe angepasst werden. Wörterwolken eignen sich für den Einstieg ins Thema: Vorwissen abholen, Nachhaltigkeitsbezüge diskutieren oder für die Vertiefung und Weiterarbeit: Zusammenhänge sichtbar machen, Unterthemen definieren, Einzelaspekte vertiefen. Bei jüngeren Schülrer/-innen kann auch mit Bildern gearbeitet werden.

Die Darstellung zeigt ausgewählte Stichworte zum Thema und eine mögliche Verortung im Drei-Dimensionen-Schema der Nachhaltigen Entwicklung (vgl. Lehrplan 21). Die Stichworte sind nicht abschliessend, sondern können ergänzt werden. Ihre Verortung in den drei Dimensionen und ihren Schnittbereichen ist als Denkanstoss zu verstehen.

Aktivitäten und Ideen für den Unterricht

• Einstiegsfragen, um das (Vor-)Wissen der Schüler/-innen und Lernenden zu ermitteln: Zyklus 1-2: In welchen Situationen habe ich (kein) Mitspracherecht? Zyklus 2: Haben immer alle Mitglieder unserer Klasse/Gemeinde die Möglichkeit mitzuentscheiden? Woran erkenne ich das? Zyklus 2-3 (ab 5. Klasse): Wer wählt den Bundesrat? Was verstehe ich unter Demokratie? Zyklus 3: Welchem Land würde ich ein demokratisches Regierungssystem wünschen und warum? Welche Umsetzungsvorschläge empfehle ich? Sekundarstufe II: Was bedeutet «regieren»? Wie funktioniert das politische System in der Schweiz? Warum soll ich wählen gehen?
• Die Wahl der Schulreisedestination unter Berücksichtigung von Kriterien der Nachhaltigkeit demokratisch gestalten.
• Über anstehende Wahlen im Unterricht sprechen: Für welche Themen setzen sich welche Parteien ein? Wie wirken ihre Wahlplakate?
• Politiker/-innen verschiedener Parteien in den Unterricht einladen und sie über ihren Werdegang und Themen der Nachhaltigkeit befragen.
• Eine Podiumsdiskussion zu einem ausgewählten Thema der Nachhaltigkeit gestalten.
• Selber ein Plakat (z.B. Wahlplakat) inhaltlich und grafisch entwerfen.
• Abstimmungen zu Nachhaltigkeitsfragen thematisieren: Um was geht es? Welches sind die wesentlichen Argumente? Welche Prognose wagen wir?

Ein Bildungsziel in unserem Land ist das Erlangen von Mündigkeit und Selbständigkeit der Kinder und Jugendlichen. Dazu gehört politische Bildung und Demokratielernen. Der Lehrplan 21 unterstützt diese Forderung durch die Kompetenzorientierung, sowie den drei BNE-Strategien (vernetztes Denken, Partizipation und Visionsorientierung). Nebst Wissensvermittlung, ist die Umsetzung im schulischen Umfeld zentral. Verschiedene Akteure aus dem Feld der Bildung können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Förderung von Wissen und Kompetenzen kann mit dem Kennenlernen lokaler und regionaler Gegebenheiten gekoppelt werden. Daraus können Projekte entstehen. Akteure aus Gemeinden, Kantonen und Bund sowie Nichtregierungsorganisationen – die sogenannten NGO – bieten sich für die Zusammenarbeit an. Dabei werden implizit oder explizit auch Werte vermittelt. In den Vordergrund zu stellen sind dabei demokratische Werte. Sie sollte im Leitbild der Schule zum Ausdruck kommen und authentisch gelebt und umgesetzt werden. Deshalb sind partizipative Projekte, zukunftsorientierte Lösungen und innovative Schulstrukturen anzudenken.

Mögliche Fragestellungen sind:

• Welche Werte müssen im Leitbild einer demokratischen und nachhaltigkeitsorientierten Schule enthalten sein?
• Wie werden partizipative Möglichkeiten für Schüler/-innen und Lernende geschaffen?
• Wie kann das politische System der Schweiz den Kindern und Jugendlichen visuell und inhaltlich verständlich gemacht werden?
• Welche Räumlichkeiten und Medienangebote können im Sinne des Demokratielernens in Verknüpfung mit Themen der nachhaltigen Entwicklung genutzt werden? (z.B. für Gruppengespräche, Podiumsdiskussionen, Austauschplattformen)
• Welche externen Partner/-innen oder Organisationen können zur Unterstützung beigezogen werden?
• Warum ist es uns als Schule ein Anliegen, den Lernenden demokratisches Handeln im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung näher zu bringen?

Aktivitäten und Ideen:

• Gemeinsames Leitbild ausformulieren: Einbindung aller Akteure, gegenseitige Toleranz, Achtung, Respekt, gewaltfreie Konfliktlösung, Nachhaltigkeit.
• Einen Schülerrat einsetzen: Gremium zur wirksamen Mitbestimmung von Schulangelegenheiten.
• Jahresmotto zu Nachhaltigkeit und Demokratie ausarbeiten und (er-)leben.
• Projekt Streitschlichter oder Ähnliches: Selbstgesteuerte und –organisierte Ämter bei Wahlen vergeben.
• Just Community: Urteilsbildung und Handlungsorientierung durch authentische und reale Probleme in der Gemeinde (vgl. Querblicke «Projekt in der Gemeinde»).
• Bildungslandschaften: Beteiligung und Mitwirkung schulischer und ausserschulischer Akteure, Unterstützung durch Kooperationspartner/-innen.